Thalamokortikale Dysrhythmie

Thalamokortikale Dysrhythmie und Hirnfunktionsstörungen

Der Mechanismus von Hirnfunktionsstörungen bleibt trotz internationaler Forschung und mehreren wissenschaftlichen Publikationen weiterhin ziemlich rätselhaft. Es wurde bewiesen, dass Morbus Parkinson, essentieller Tremor, neurogene Schmerzen sowie gewisse Formen von Epilepsie und Tinnitus durch eine ähnliche Dysfunktion im Gehirn hervorgerufen werden. Diese wird thalamokortikale Dysrhythmie genannt. (Referenz 1)

Zwei zentrale Strukturen im Gehirn, der Thalamus und der Kortex, sind mittels Schlaufen miteinander verbunden. Der Thalamus liegt in der Mitte des Gehirns und interagiert intensiv mit der Hirnrinde, dem sogenannten Kortex. Ihre Organisation und ihre Funktion gleichen einem Orchester. Der Thalamus dient im Zentrum als Dirigent und leitet und koordiniert die verschiedenen Bereiche der Hirnrinde – seine Musiker. Zusammen produzieren sie Rhythmen. Diese können mit dem Elektroenzephalogramm erfasst werden.

Ein millimeterkleines, defizitäres Gebiet im Gehirn reicht aus, um das Gleichgewicht von diesem Orchester durcheinander zu bringen und eine Hirnfunktionsstörung zu verursachen. Je nachdem wo das defizitäre Gebiet lokalisiert ist, löst dies eine der oben erwähnten Krankheiten aus.
Bildlich und vereinfacht dargestellt ist das, als ob etwas konstant am Arm des Dirigenten ziehen würde. Dieser ist nicht mehr in der Lage, das Orchester korrekt zu leiten. Dadurch wird ein Überschuss von Aktivität von verschiedenen Sektoren des Orchesters verursacht, der zur Entwicklung der verschiedenen Hirnfunktionsstörungen führt.

 

Behandlung von Hirnfunktionsstörungen mit funktioneller Ultraschall-Neurochirurgie

Eine neue, bereits mehrfach angewendete und publizierte Methode (Referenzen 2 und 3) um Hirnfunktionsstörungen zu regulieren, respektive wieder ins Gleichgewicht zu bringen, beinhaltet das Ausschalten des defizitären Gebiets, welches 3-4 Millimeter klein ist und seine normale Funktion verloren hat. Dies erlaubt dem System, sein natürliches Gleichgewicht wieder zu finden, ohne neurologische Defizite zu verursachen.

Um das Bild vom Orchester wieder aufzugreifen: Man eliminiert durch die Operation den Störenfried der am Arm des Dirigenten zieht. Nun kann dieser seine normale Funktion wieder einnehmen und die verschiedenen Hirnbereiche leiten und koordinieren, ohne dass die Musiker oder der Dirigent irgendeine Einbusse erleben müssen. Der Rhythmus normalisiert sich und die Beschwerden nehmen ab.

Seit 30 Jahren wurde diese neurochirurgische Operation mittels Sonden durchgeführt, welche durch ein kleines Loch in der Schädelkappe ins Gehirn eingeführt wurden, um das gewünschte Ziel zu erreichen und anschliessend durch Wärme auszuschalten.

Seit einigen Jahren ist es nun sogar möglich, die Zielgebiete mittels Ultraschall, mit der sogenannten inzisionslosen, transkranialen, MR-gesteuerten, fokussierten Ultraschall-Technik, zu erreichen. Da bei dieser Technik der Schädel nicht mehr geöffnet werden muss, wird die Gefahr für Blutungen minimiert und das Infektionsrisiko besteht nicht mehr. Zudem ermöglicht es eine sehr präzise (im Rahmen eines halben Millimeters) Erwärmung auf 54-60°C des Gewebes im Zielgebiet.
Die Vorteile dieser Methode lassen sich dadurch erklären, dass die Ultraschallenergie durch Haut und Knochen dringt und somit eine mechanische Penetration des Schädels und des Gehirns nicht mehr notwendig ist. Die Zielgenauigkeit wird ausserdem während der Operation regelmässig durch thermische MR-Bilder überprüft.

Fokussierter Ultraschall bedeutet, dass ca. 1000 Ultraschallwellen, alle unschädlich für das Gehirn, in einem Zielpunkt zusammentreffen und dort einen Brennpunkt erzeugen: Die Schallenergie wird in thermische Energie umgewandelt. Der Zielpunkt ist nur 3-4mm Diameter klein.

Die Intervention wird im Wachzustand des Patienten durchgeführt. Um die Zielgenauigkeit zu gewährleisten, darf sich der Kopf des Patienten währenddessen nicht bewegen. Demzufolge wird dem Patienten unter lokaler Anästhesie ein Rahmen um den Kopf befestigt. Anschliessend wird er in der Magnetresonanztomographie installiert und die Zielpunkte werden berechnet in denen die Ultraschallenergie angewendet wird. Dieser Prozess wird auch „Sonikation“ genannt.

 

 

Referenzen:

1: Jeanmonod, D. Magnin, M. Morel, A. (1996). Low-threshold calcium spike bursts in the human thalamus. Common physiopathology for sensory, motor and limbic positive symptoms. Brain, Apr;119 (Pt 2):363-75.

2: Aufenberg, C. Sarnthein, J. Morel, A. Rousson, V. Gallay, M. Jeanmonod, D. (2005). A revival of Spiegel’s campotomy: long term results of the stereotactic pallidothalamic tractotomy against the parkinsonian thalamocortical dysrhythmia. Thalamus & Related Systems, 3(2):121-132.

3: Jeanmonod, D. Morel, A. (2009) The Central Lateral Thalamotomy for Neuropathic Pain. In: Lozano, A.M. Gildenberg, P.L. Tasker, R.R. eds. Textbook of Stereotactic and Functional Neurosurgery, 2nd Edition. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag, pp. 2081-2096.